Wie verhalte ich mich gegenüber Verlagen, Lektoren, Agenturen? Wie konzipiere ich ein Anschreiben? Sollte man einfach ein Manuskript losschicken?
Das Losschicken eines Manuskriptes bedarf einer kleinen Vorbereitung. Das Anschreiben an den Verlag hat dabei keine große Bedeutung, wenn minimale Bedingungen erfüllt sind: es sollte kurz und fehlerfrei sein. Es reicht durchaus ein ungereimter Vierzeiler. Ein mittlerweile prominent gewordener Autor hatte mir zu Beginn meiner Lektorentage geschrieben: „Bitte lesen Sie mein Manuskript, das Sie beiliegend finden. Ich freue mich auf eine Antwort. Mit freundlichen Grüßen.“ Das ist völlig ausreichend, denn die Zeitökonomie in den Verlagen hat sich dramatisch zuungunsten von Manuskripten und Autoren gewendet. Die Lektoren beschäftigen sich mit allem Möglichen, aber zu wenig mit den Manuskripten, die vor ihnen liegen. Das heißt, lange Exposés oder Lebensläufe sind von untergeordneter Bedeutung. Hinter der übermäßigen Beschäftigung mit diesem Thema steckt oft die Scheu, das Manuskript überhaupt aus der Hand zu geben, die in den scheinbaren Kompliziertheiten eines Anschreibens kompensatorisch zum Ausdruck kommt.

Literarische Agenturen haben sich auf dem deutschsprachigen Markt etabliert. Was raten Sie Autoren? Pro oder Contra Agentur?
Noch in den 80er Jahren gab es für deutschsprachige Literatur kaum Agenturen, mittlerweile gibt es viele. Den Lektoren wird ein Großteil ihrer Lektüre sortiert und damit auch in einer bestimmten Art und Weise qualifiziert dargeboten. Insofern wird es für den Autor leichter, beim Verlag Ansprache zu finden; das ist der Vorteil, den er nicht außer Acht lassen sollte. Aber: Agenturen kosten Geld, den Autor und den Verlag. Dieser arbeitet bevorzugt in von Agenturen ungestörten Beziehungen, doch dieses enge Verlag-Autor-Verhältnis gibt es kaum noch. Auf Gedeih und Verderb per Handschlag: Wir machen dein Manuskript, und wir wollen deine Bücher begleiten, auch schwierige. Das gehört weitgehend der Geschichte literarischer Verlage an. Natürlich haben literarische Agenturen grundsätzlich mit dem gleichen Problem wie die Verlage zu kämpfen, dass nämlich viel zu viel geschrieben wird. Alles ist verstopft, jeder will schreiben, keiner lesen. Wenn Agenturen überhäuft sind mit eingehenden Manuskripten und sie keine strenge Auswahl mehr treffen können, dann wird die Aufgabe einer Agentur ad absurdum geführt, weil sie auch nichts anderes machen, als die Autoren selbst tun können, nämlich sich ein Verlagsadressenverzeichnis beschaffen und das Manuskript zu verteilen. Eine gute Agentur kennt natürlich in allen Verlagen die Lektoren persönlich, sodass sie weiß, wer aus welcher Traditionen kommt, zu wem dieses oder jenes passt. Und dann bleiben höchstens fünf oder sechs Verlage für ein Manuskript übrig. Man sollte also den Schritt zu einer literarischen Agentur sehr genau bedenken.

Woran erkennt man eine gute Agentur?
Natürlich wollen Agenturen als Vertretung ihres Autors den größtmöglichen zumal ökonomischen Vorteil erzielen, auch für sich selbst in Zeiten wachsender Kosten und Konkurrenz, und das bedeutet möglichst hohe Vorschüsse. Jedem Verlag als auch ökonomische Unternehmung mit einer eigenen Kalkulation für jedes Buch ist damit geholfen, wenn er ein gutes Manuskript für 5.000 oder 7.000 Euro bekommt. Die Agentur hat aber das Interesse, ein solches Manuskript für 10.000 oder 14.000 Euro zu verkaufen. Es wäre trotzdem falsch zu sagen, dass ein Autor also notwendig die Agentur wählen sollte, denn umgekehrt kann es von Vorteil sein, wenn der Autor in einer längerfristig gedachten Beziehung zunächst weniger Geld verdient, aber der Verlag zu diesem Autor ein anderes Verhältnis entwickeln kann, nämlich in der Regel ein sehr viel direkteres und persönlicheres, und zum Beispiel sagt: Mit diesem geringeren Vorschuss fällt es uns leichter, für den Autor dieses und jenes zu tun, da der Topf, den man für jeden Autor hat, noch nicht ausgeschöpft ist. Von einem Buch, das in der Kalkulation mit einem Vorschuss von 14.000 Euro belastet ist, muss man natürlich mehr Exemplare verkaufen, um diese 14.000 Euro wieder einzuspielen. Das erhöht den Druck. Es kann also viel angenehmer sein, nur 5.000 oder 7.000 Euro erhalten zu haben und dafür schaltet der Verlag ein paar Anzeigen, macht Publikums- oder Buchhandelswerbung. Umgekehrt würde jetzt wieder der Agent sagen: Völlig falsch gedacht, wir müssen diesem Verlag Druck machen, das Buch teuer verkaufen, denn nur, wenn der Einsatz hoch war, ist der Verlag auch gewillt, etwas für diesen Autor zu tun und das Geld wieder einzuspielen. Das muss aber keineswegs so sein. Das könnten wir noch an anderen Beispielen durchspielen. Das Thema ist also komplex, es gibt Vor- und Nachteile. Ein anderer Nachteil könnte es wieder sein, dass ein mit Begeisterung und Überzeugung über eine Agentur eingekaufter Autor doch einen solch bescheidenen Erfolg hatte, dass es schnell einen Riss zwischen Autor und Verlag gibt, weil natürlich jeder Autor genau erspürt, ob er die Erwartungen eingelöst hat. Irgendwann wird sich auch der ökonomische Geschäftsführer eines Verlages einschalten und sagen: Ich finde diesen Autor gut, aber drei Büchern und – sagen wir – 85.000 Euro Vorschuss stehen nur diese und jene Verkaufszahlen gegenüber. Also trennt man sich von diesem Autor. Es gibt nichts Schlimmeres für einen Autor, als seinen Verlag zu verlieren. Manchmal sind Agenten an diesem Punkt wiederum sehr hilfreich. Bei Verlag A kein Erfolg, wir machen einen Neustart bei B, manchmal gelingt das, manchmal gelingt es dann auch erst bei Verlag C. Andererseits sind Agenturen manchmal auch sehr schnell mit dem Verlagswechsel und ein Autor mit fünf Romanen findet sich bei vier Verlagen wieder. Das Autor-Verlag-Verhältnis konnte nicht wachsen und jedes Buch, das erschienen ist, ist letztlich ein verlorenes Buch, denn die Rechte bleiben erst einmal bei den Verlagen. Kurzum, Sie zerstreuen Ihre Rechte und kommen niemals dazu, fünf Romane bei einem Verlag zu haben, mit einer wachsenden Backlist. Sie sitzen auf einem Scherbenhaufen, jedenfalls was diesen Rechte-Aspekt anbelangt. Es gibt also keinen Königsweg bei der Agentur-Frage, alles ist ein Abwägen, ein Vorteil da, zwei Nachteile dort, ein Nachteil hier, zwei Vorteile da.

Also sollte man sich lieber zunächst an die Verlage direkt wenden? Aber oft kommt man zu den Lektoren gar nicht erst durch, man hat es mit Sekretariaten zu tun.
Nein, das ist eine psychologisch verständliche Mystifizierung, die sich aus Enttäuschung heraus entwickelt. Sie haben die Möglichkeit, die Lektoren zu treffen, beim Bachmann-Wettbewerb, beim Open Mike, bei Seminaren. Da haben Sie die Lektoren auf dem Serviertablett vor sich und können Sie sich anschauen. Und bei den ganzen Mittagessen und Ausflügen kann man sich auch an diese Menschen heranschleichen. Man folgt einem Dialog, und dann spricht man über Literatur und das eigene Schreiben. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die literarische Qualität stimmt. Vorher sollte man sich eingehend selbst befragen und Situationen schaffen, bei denen man Rückmeldung bekommt, in denen klar wird, gibt mein Manuskript das schon her? Dann würde ich mir die Verlagsprogramme anschauen und die Autorentradition, die in diesem Verlag gepflegt wird. Welche Autoren sind es, die ich gerne lese oder die ich bewundere, in deren Umfeld ich meine Bücher sehe? Dann fällt die Verlagswahl schon leichter. Und warum nicht, bei aller Konkurrenz, auch überlegen, mit Autoren Kontakt aufzunehmen? Im weiteren macht es natürlich auch Sinn, sich über Zeitschriften auszuprobieren. Eine Veröffentlichung dort zeigt doch auch schon etwas, hat eine gewisse Filter- und Kritikfunktion. Zunehmend spielen auch außerliterarische Gesichtspunkte eine Rolle: Sie schreiben Kritiken oder sind über Rundfunk, Film und Fernsehen einem bestimmten Kreis bekannt? Dann öffnet das die Türen auch leichter.

Also läuft es wie immer über Kontakte und Bekanntschaften?
Ja. In den größeren Städten, in denen Verlage sitzen, gibt es Literaturhäuser und Veranstaltungen, bei denen man ebenfalls Autoren oder Lektoren treffen kann. Ich halte es sowieso für eine Selbstverständlichkeit, dass Autoren deutschsprachige Literatur, zeitgenössische Literatur lesen und studieren, genauso wie die Feuilletons der großen Tageszeitungen, Kritiken lesen und sehen, was zeitgenössische Literatur in diesem Zusammenhang bedeutet, dass Sie zu Lesungen gehen und das nicht nur zweimal im Jahr, sondern häufiger; daraus ergeben sich in der Regel im Lauf der Zeit Bekanntschaften. Vielleicht lernt man denjenigen Autor kennen, der dann eine Anthologie herausgibt. Manche Autoren vermitteln auch weiter, weil sie möchten, dass in ihrem Verlag gute Autoren veröffentlicht werden. Es ist nicht so, dass das alles ein abgekartetes Spiel ist und es kein Hereinkommen gibt. Doch dazu braucht es Geduld und Fingerspitzengefühl; Enttäuschungen gehören dazu. Genauso wie Sie, wenn Sie das erste Buch veröffentlicht haben, Enttäuschungen ohne Ende erleiden werden. Dann geht der nächste Kampf los: Sie kriegen keine Besprechungen, der Verlag tut nichts für Sie, Sie bekommen keine Lesungen, und wenn Sie Lesungen haben, ist das Honorar geringer als bei anderen, Sie werden nicht zu Literaturfestivals eingeladen – Sie erfahren nichts als Kränkungen die ganze Zeit. Aber das Leben ist an sich eine Kränkung, aus der Literatur erwächst. Sie müssen beweglich sein. Als ich mich vom Akademischen verabschiedet hatte und anfing, mich neben ihren Büchern auch für Verlage selbst zu interessieren, bin ich zum Beispiel nach Klagenfurt gefahren – ich hatte kaum das Geld in der Tasche, solches zu tun – um dann plötzlich neben diesem oder jenem Autor oder Lektor zu sitzen. Auf diese Art und Weise bin ich zu Kontakten gekommen. Ich habe gesehen, worüber die reden, welche Bücher die toll finden. Das war ein erster kleiner Schritt. Diese Beweglichkeit muss man einfach entwickeln und in sie investieren. Natürlich nicht wie die Wichtigtuer, die überall sind. Es gibt ja solche Institutionen wie die Textmanufaktur. Hier werden ja links und rechts Zaunpfähle auf dem Weg zum fertigen Autor eingeschlagen (lacht).
Trotz allem sollten Autoren weiterhin ihren Stolz pflegen. Dass man nicht denkt: Hier bin ich kleiner Autor, da sind die großen Verlage. Man fühlt sich wie ein Nichts. Das ist falsch. Es gibt seit Jahren diese zunehmende und merkwürdige Umkehrung im Betrieb der Kultur. Die Kreativen, die Primären, die das alles schaffen, werden an die Seite gedrängt durch die Sekundären, die Vermittler und Macher, die Agenten, die Subagenten usw. Das zu beklagen nützt gar nichts, aber als ich von Stolz sprach, habe ich einen Autor im Kopf gehabt, für den gehörte zu dem Stück Leben, das in seinem Text steckte, dass er das kaum aus der Hand gab, dass er das nicht irgendeinem Agenten anvertraut, sondern nur die zwei oder drei oder fünf Verlage solches lesen dürfen und vielleicht noch der andere Autor, mit dem er vertraut ist. Das klingt jetzt etwas pathetisch, aber das war für ihn selbstverständlich und eine Frage von Ehre und Selbstwert.

Im Juni 2010 findet das nächste Seminar mit Christian Döring in Venedig statt. Mehr Informationen hier

Zurück

Menu