„Eine Art des Schreibens finden, die einen am Schreiben hält.“


Der Autor und Textmanufaktur-Lektor Thomas Podhostnik über die Entwicklung eines eigenen Stils, moderne Klassiker und die Bedeutung von Literatur

Herr Podhostnik, Ihre Webinar-Reihe bei der Textmanufaktur steht unter dem Titel „Wege zum eigenen Stil“. Was muss ein Autor mitbringen, um einen eigenen Stil zu entwickeln?
Am wichtigsten ist, dass man schreibt. Ohne einen ständigen Schreibprozess wird sich kein Stil herausbilden. Der eigene Stil ist etwas, was man selbst bei sich entdecken muss. Der kann einem nicht von außen gezeigt oder aufgezwungen werden. Er entwickelt sich aus dem eigenen Leben, aus den Inhalten, denen man sich widmet und auch aus der Form in der man schreibt.

Beeinflussen Leseerfahrungen den eigenen Stil?
Auf jeden Fall. Wer Literatur aus verschiedenen Epochen liest und sich anschaut, was dort passiert, was gedacht wurde, wie Welt beschrieben wurde – der kann da viel für das eigene Schreiben herausziehen. Einiges, was vor 300 Jahren geschrieben wurde, ist moderner als viele zeitgenössische Texte.

Inwiefern?
Heute gibt man dem Text oft einen Produktcharakter. Er soll bestimmte Kriterien erfüllen, die ihn beim Leser beliebt machen. Historisch gesehen hat Literatur aber eine ganz andere Bedeutung, nämlich Wahrheit zu erzeugen, Welt zu beschreiben und auch neue Gedanken in die Welt zu bringen. Dazu gehört es, dass der Text die Welt hinterfragt – auch auf einer formalen Ebene. Das ist ein moderner Ansatz, der sich schon bei Cervantes und Shakespeare findet. Für das eigene Schreiben können uns solche Texte zeigen, was alles möglich ist.

Wer schreibt, möchte meistens auch publiziert werden. Und dann muss er darauf schauen, was der Leser oder der Verlag erwartet, oder?
Es ist natürlich wunderschön publiziert zu werden. Doch vorher geht es um das eigene Schreiben. Viele Debüt-Autoren wollen einen 600-Seiten-Roman auf eine Publikation hin schreiben. Oft stehen sie aber im Beruf, haben Familie und daher wenig Zeit. Sie scheitern oft, weil sie sich zu viel vornehmen. Es geht nicht darum, gleich den großen Roman zu schreiben. Viel wichtiger ist es, eine Art des Schreibens zu finden, die einen am Schreiben hält. Deshalb ist es sehr wichtig, eine Form und eine Sprache zu finden, die zu einem passt. Bevor man sich Gedanken darüber macht, ob der Text publiziert wird, geht es darum, einen eigenen Stil zu finden. Und der muss auch zu den Rahmenbedingungen passen.

Dann wird der eigene Stil also auch durch die familiäre oder berufliche Situation beeinflusst?
Ja, die spielt eine Rolle. Bei mir ist es zum Beispiel so, dass ich zum literarischen Schreiben sehr sporadisch komme. Meistens abends ein oder zwei Stunden oder am Wochenende. Das heißt, ich musste mir eine Schreibe aneignen, mit der das möglich ist. Die ist extrem verknappt und ich mache mir sehr viele Gedanken über meine Sätze, bevor ich sie niederschreibe. Bei jemand anders wird es vielleicht so sein, dass er sich immer mal wieder zwei oder drei Monate Zeit nimmt. Der entwickelt dann einen Stil, der es ermöglicht, einen Text in zwei, drei Monaten niederzuschreiben.

Was kann ein Autor oder eine Autorin tun, um den eigenen Stil herauszubilden?   
Dafür ist es wichtig, den eigenen Text mit distanziertem Blick zu betrachten. Denn es gibt einen Unterschied zwischen dem, was man denkt zu schreiben und dem, was dasteht und was ein Leser, der den Autor und seine Intention nicht kennt, wahrnimmt: Der Text als ästhetisches Produkt, das seine eigene Aussage hat. Und diese eigene Aussage des Textes manifestiert sich auch – oder vielleicht nur – im Stil. Zu erkennen, was der Text macht, es zu fördern oder zu unterbinden, das ist Stilarbeit.

Manchmal ist der eigene Blick auf das Geschriebene schwierig, weil man sehr nahe dran ist.
Daran, einen distanzierten Blick auf den eigenen Text zu entwickeln, arbeiten wir auch in den Webinaren. Es geht darum, den Text mit dem kühlen Blick des Handwerkers noch einmal durchzugehen: Was für eine Sprache habe ich verwandt? Was für eine Haltung hat der Text? Mit was für einer Perspektive habe ich gearbeitet? Dann muss man sich fragen: Was davon gehört zu mir, was macht meinen Text besonders? Das sollte man herausarbeiten und den Rest weglassen.

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Thomas Podhostnik studierte Prosa und Dramatik am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Er erhielt zahlreiche Stipendien, darunter ein Stipendium des Klagenfurter Literaturkurses, der Villa Decius in Krakau und der Sächsischen Kulturstiftung. Heute lebt er in Leipzig wo er u. a. den Kulturraum Textat. unterhält. Veröffentlichungen: „Mittwacht“ (Verlagshaus J. Frank), „Die Hand erzählt vom Daumen“ und „Der gezeichnete Hund“ (beide Luftschacht Literaturverlag)


In der Textmanufaktur unterrichtet Thomas Podhostnik in einer Webinarreihe "Wege zum eigenen Stil. Poetik des Schreibens". Als freier Lektor betreut er Autorinnen und Autorinnen bei ihrem Fernstudium Prosaschreiben.

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