In hochherrschaftlichen Räumen in der Prinz-Eugen-Straße in Wien, direkt gegenüber dem Belvedere-Park, residiert seit 1925 der Zsolnay Verlag. Das erste Buch, das Paul Zsolnay 1924 verlegte, war Franz Werfels „Verdi. Roman der Oper“. Der Roman sollte sich bis 1930 über 200.000 mal verkaufen. Nach einer wechselvollen Geschichte unter verschiedenen Eigentümern gehört Zsolnay/Deuticke seit 1996 zum Hanser Verlag. Bestseller-Erfolge wie die Bücher von Henning Mankell oder Daniel Glattauer erlauben dem Verlag auch das Entdecken neuer Talente. Die Lektorin Bettina Wörgötter führt durch die hohen Altbauräume und erzählt aus der bewegten Verlagsgeschichte, deutet auf die wandhohen Schränke mit Manuskripteingangsbüchern, in denen seit 1924 jedes unverlangt eingesandte Manuskript penibel registriert wird. Zum Beispiel auch „Der Mann ohne Eigenschaften“. „Leider abgelehnt“, sagt sie lachend.

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Das Seminar "Manuskript trifft Verlag" im Wiener Zsolnay Verlag

 

Wie viel unverlangt eingesandte Manuskripte kommen hier täglich an?
Der Zsolnay Verlag bekommt jährlich rund 1.000 unverlangt eingesandte Manuskripte. Etwa eines alles drei Jahre wird davon wirklich zu einem Buch. Aber wir schauen uns alles an und sagen alles persönlich ab. Das ist uns sehr wichtig. Natürlich kann es sein, dass uns mal etwas durch die Lappen geht, aber das ist die Ausnahme.

Warum die Absagen?
Viele haben einfach falsche Vorstellungen davon, wie ihr Titel im Buchmarkt positioniert sein könnte. Wir sind ein Publikumsverlag, das allermeiste passt bei uns gar nicht hinein. Jedes einzelne Verlagsprogramm ist sehr komplex gebaut, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht erkennt. Für viele geht es auch nur darum, in einem namhaften Verlag verlegt zu sein, das kann ich verstehen, aber man übersieht, dass bestimmte Bücher in kleineren Verlagen viel besser aufgehoben sind und viel größere Erfolge werden könnten. Jeder Verlag hat sein spezifisches Netzwerk, seine Presse- oder Vertriebskontakte. Es würde keinen Sinn ergeben, dass wir ein Kochbuch verlegen, auch wenn es noch so gut ist.

Wo liegen Ihre Programmschwerpunkte?
Bei Zsolnay werden eher literarische Titel verlegt, bei Deuticke eher die Unterhaltung, obwohl es hier Überschneidungen gibt. Erfolgreiche Autoren wie Henning Mankell erlauben uns die klassische Mischkalkulation, das heißt, wir können uns auch der Aufgabe widmen, junge Talente insbesondere aus Österreich zu entdecken. Krimis sollten bei uns immer einen gesellschafts- oder kulturpolitischen Hintergrund haben, also keine reinen Who-dunnits sein.

Ist es legitim, dass ein Autor sein Manuskript an mehrere Verlage schickt?
Das ist durchaus üblich, es ist dann natürlich nur fair, wenn man einen Vertrag unterschrieben hat oder ein Angebot bekommt, das den anderen Verlagen mitzuteilen. Ich finde es durchaus legitim zu sagen: „Es gibt einen Verlag, der würde mein Buch machen, wollen Sie sich das noch anschauen oder nicht mehr?“ Das passiert mir immer wieder. Dann muss ich mich natürlich beeilen.

Kann man auch bluffen?

(lacht) Man darf nicht unterschätzen, dass sich die Lektoren untereinander kennen, da muss man ein bisschen vorsichtig sein, weil es schon sein kann, dass man sich austauscht.

Gibt es denn eine spezifische österreichische Literatur? Bestimmte Themen, Merkmale in Sprache und Stil?
Das ist ein viel und oft diskutiertes Thema. Wahrscheinlich bildet sich die Umgebung immer ab. Es gibt sicher auch sächsische Literatur oder norddeutsche. Es gibt Themen und Traditionen, die sich nachverfolgen lassen, die einen beeinflussen, aber auch nicht beeinflussen müssen. Es gibt Bücher, die sind stärker hier verwurzelt, andere sind es weniger. Auch sprachlich kann man das nicht über einen Kamm scheren. Es gibt sehr viele Spezifika im österreichischen Deutsch, womit die Autoren sehr verschieden umgehen. Es gibt Autoren, die viel Wert darauf legen, dass das, was man gemeinhin als Austriazismen bezeichnet, möglichst weglektoriert wird, andere reagieren darauf allergisch. Ich bin ja eher eine Verfechterin dessen, dass man der Sprache anmerken darf, wo und wie sie entstanden ist.

Wie ist das Verhältnis von deutschem und österreichischem Markt?

Auch hier gibt es beides. Die österreichische Literatur hatte ja gerade wieder einen Boom, viele Österreicher bekamen deutsche Literaturpreise. Wir kennen aber auch den anderen Fall, dass man es durchaus schwerer haben kann als Österreicher auf dem deutschen Markt. Ganz schwierig wird es für Sachbuchautoren, die sind faktisch chancenlos am deutschsprachigen Markt; da gibt es scheinbar den Generalverdacht bei den deutschen Journalisten, dass es um Österreich geht. Umgekehrt – nur wirkt sich das ökonomisch nicht so stark aus – gibt es deutsche Themen und Bücher, die in Österreich überhaupt nicht funktionieren. Doch auch Österreich kann ein wichtiger Markt sein. Bei den Krimis von Veit Heinichen, die in Triest spielen, ist der Österreich-Anteil gigantisch. Aber für uns ist es sehr wichtig, dass die Bücher am gesamten deutschsprachigen Markt funktionieren.

Der Zsolnay Verlag hat eine Tradition der guten Autorenbetreuung. Paul Zsolnay setzte in den Anfangsjahren des Verlages neue Maßstäbe in der Autorenvergütung. Wie sieht das Autor-Lektor-Verhältnis heute aus?
Bei den Verträgen gibt es heutzutage kaum Unterschiede zwischen den Verlagen. Das sind Standardverträge mit einem Honorar von um die zehn Prozent. Die Bandbreite bei der persönlichen Zusammenarbeit ist sehr groß. Manche Autoren sagen: Ja, streich mir bitte die Hälfte raus, bei anderen geht es nur um Kommafehler. Man kann da eigentlich nichts als Normafall bezeichnen. Ganz wichtig ist ein ganz starkes Vertrauensverhältnis, ohne dieses Vertrauen geht es auf keinen Fall. Man ist ja als Lektor immer weniger Experte für den Text als der Autor. Was ich sehr früh von erfahrenen Kollegen gelernt habe, ist, dass man als Lektor für alles, was man an einem Text kritisieren, anmerken, verändern will, ein sehr stichhaltiges und gutes Argument haben muss. Einfach nur „das gefällt mir nicht“ ist kein Argument. Wenn man nach diesem Prinzip vorgeht und sich selbst immer wieder kontrolliert, ist man auf dem richtigen Weg, und wenn man dann noch ein gutes Verhältnis zu den Autoren hat, kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen. Es kann natürlich passieren, dass man mit einem Text oder mit einem Autor überhaupt nicht zurecht kommt, dann kann man eigentlich nur sagen, das muss jemand anderes machen. Ansonsten habe ich noch nie erlebt, dass es zu größeren Verwerfungen gekommen ist. Es spricht ja nichts dagegen, dass man mal lang über einen Satz oder Absatz diskutiert, aber da findet man immer dann zu einer Lösung, wenn man sich ganz genau überlegt hat, ob man ein Argument hat. „Ich würde das anders schreiben“ reicht nicht. Man darf sich vom Lektorat auch keine Wunder versprechen und sollte auch keinen großen Mythos daraus machen. Es ist nicht der Anspruch des Lektorats, ein Buch völlig zu verändern, sondern in den meisten Fällen geht es sehr bald um Details und einzelne Formulierungen.

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