Immer wieder begegnet mir im Gespräch mit Autorinnen und Autoren die Frage: Wie sieht eigentlich ein gutes Exposé aus? Ich antworte dann immer: Frag drei Lektorinnen und Lektoren und du bekommst vier Antworten. Ein Exposé ist ein Text, der die rasche Kommunikation über ein Buch ermöglichen soll und hat, je nach Kommunikationssituation, verschiedene Funktionen. Zwei sind aber immer wesentlich: Orientierung und Werbung. Das heißt, ein Exposé soll zuallererst den Adressaten orientieren:

• Um welche Textgattung handelt es sich?
• Ist es eher literarische oder unterhaltende Belletristik?
• Welches Genre?
• Wie lang ist der Text?
• Was ist das für eine Geschichte?

Wichtig ist aber vor allem, die Handlung angemessen und logisch nachvollziehbar zu erzählen. Verzichten Sie dabei auf Wertungen oder Interpretationen Ihres eigenen Textes oder auf Übertreibungen („und dann passieren unglaubliche Dinge“). Wichtig ist auch, dass die Komplexität Ihres Exposés der Länge angemessen ist. Ein kurzes, eher werbendes Exposé von einer halben Seite verträgt eben nur zwei Figuren und einen Hauptkonflikt. Ein ausführliches Exposé zur Vorbereitung der Arbeit mit dem Lektor/der Lektorin darf ruhig zwei bis drei Seiten lang sein und auch alle Nebenstränge berücksichtigen. Schreibt man ein eher orientierendes Exposé, sollte auch das Ende erzählt werden (besonders im Krimi). So kann der Lektor/die Lektorin nachvollziehen, ob der Autor/die Autorin die Story wirklich im Griff hat, es genügend Wendepunkte gibt und die Auflösung schlüssig ist.

ABER: Nun kommt die andere Seite, und die macht es schwierig. Ein Exposé soll nicht nur orientieren, es soll neugierig machen. Sein Hauptzweck ist ja eigentlich, dass die Leserin/der Leser des Exposés sofort die erste Seite des Textes lesen will, und dann die zweite, und dann die dritte usw. Das heißt, ein Exposé balanciert immer auf dem schmalen Grat, so viel wie nötig zu verraten, um die Geschichte zu verstehen, aber eben auch so wenig wie möglich, um den Adressaten zum Weiterlesen zu animieren.
Grundsätzlich ist es so: Je literarischer ein Text ist, also je mehr er mit Sprache arbeitet, umso unnötiger ist ein Exposé. Letztlich trägt die Sprache den Text. Je mehr es in Richtung Genre geht, der Roman also plotgetrieben ist, umso wichtiger ist ein Exposé.
Hier noch mal eine kurze grafische Veranschaulichung:

a/bildmaterial/Pitch Expose 01a.jpg



Diese Funktionen (Orientierung und Werbung) widersprechen sich manchmal. Je nach Genre, Ansprechpartner/-partnerin oder Zielgruppe sollte man die eine oder die andere Seite stärker betonen.

Pitch und Exposé sind nicht nur eine Verkürzung, sondern eigene literarische Gattungen. Sie zeigen vor allem, ob der Autor/die Autorin ein Bewusstsein für seinen Text und dessen Wirkung hat. „Rem tene, verba sequentur“, heißt es bei Cato, „Beherrsche die Sache, dann folgen die Worte.“
Beherrsche die Sache heißt für Autorinnen und Autoren: Um zu orientieren, muss man selbst über die wesentlichen Fragen seines Textes orientiert sein. Nicht selten deutet eine Unklarheit im Exposé auf eine Unklarheit im Text.

Pitchen bedeutet: Das Buch reduzieren auf ein bis drei Sätze. Ursprünglich ist das ein brancheninternes Verfahren gewesen: Herausarbeiten des USP für die interne Kommunikation, etwa in der Lektorats- oder Vertreterkonferenz. Aber immer stärker werden diese Fähigkeiten mittlerweile auch von den Autorinnen und Autoren selbst gefordert.

„Pitching is selling not telling the story.“ (Olaf Petersenn) Das heißt, was ist besonders an meinem Text?

• Eine Figur oder einen zentralen Konflikt zeigen
• Eine bestimmte Zeit oder ein besonderes Setting herausarbeiten
• Wie ist der Stoff literarisch/sprachlich umgesetzt?
• Wie sieht die Zielgruppe aus?
• Gibt es ein herausragendes Thema?
• Warum beschäftigt sich der Autor/die Autorin ausgerechnet mit diesem Stoff?
• Bewusstsein für den umgebenden Markt zeigen: Was ist das Alleinstellungsmerkmal gegenüber den anderen?

Das alles sind keine in Stein gemeißelten Regeln. Alles ist erlaubt, „as long as it works“, heißt, Hauptsache, der Adressat liest weiter. Einen guten Pitch oder ein gutes Exposé schreiben bedeutet also vor allem, sich in den Leser/die Leserin hineinzuversetzen: Was will man beim Leser/bei der Leserin erreichen? Wie tritt man mit dem Text an den Lesenden heran?

• Will man konfrontieren mit einer Welt, die er nicht kennt?
• Will man Befremden auslösen? Welches Maß an Irritation ist angemessen und erweckt Neugier?
• Will man identifikatorisch über eine Figur, die er kennt, in eine Geschichte reinziehen?
• Will man ihm was Neues vor Augen stellen oder gerade mit den bekannten Mustern arbeiten?

Im Idealfall spiegelt sich im Pitch und Exposé bereits der Tonfall des Textes. Das Exposé zu einer Komödie sollte lustig sein, das zu einem Krimi spannend usw.
Ein gutes Exposé zu schreiben, ist eine Wissenschaft für sich. Welche Form die beste ist, hängt immer vom Einzelfall, also vom spezifischen Stoff in der spezifischen Kommunikationssituation ab. Eine Kurzvorstellung auf der Buchmesse erfordert eine andere Herangehensweise als eine ausführliche Bewerbung.

Mehr zum Thema erfahren Sie in jedem Textmanufaktur-Seminar, aber besonders natürlich im Buch "Titel, Pitch und Exposé für Romane".

(c) André Hille

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