Literaturagenturen sind, entgegen der landläufigen Meinung, kein Phänomen der letzten Jahrzehnte.

Oft wird als erste Literaturagentur der Welt fälschlicherweise die „Literary Agency A. P. Watts“ (1875 in London gegründet und Agentur von Arthur Conan Doyle) genannt, dabei begann alles in Deutschland schon wenige Jahre früher. 1868 gründete Otto Loewenstein „Dr. Loewenstein’s Buero für Vermittlung literarischer Geschäfte“ in Berlin, unter anderem mit folgender Agenda:

  1. Vermittlung aller Geschäfte zwischen Schriftstellern, Zeitungsredactionen und Verlagshandlungen.
  2. Unterstützung der Redactionen in literarischer, artistischer, technischer und jeder anderen Beziehung.
  3. Stellenvermittlung auf literarischem Gebiet.
  4. Ordnung und Schlichtung von Streitigkeiten und Einziehung fälliger Forderungen.
  5. Besorgung jeder in die literarischen Sphäre gehörigen Angelegenheit.
    (zitiert nach: Andreas Graf: „Literatur-Agenturen in Deutschland 1868 bis 1929). 

Die Idee zum Agenturwesen wurde wenige Jahre zuvor auf dem „Ersten Schriftstellertag“ in Leipzig geboren, dessen Ziele die „Sicherstellung litherarischen Eigenthums, die Unterdrückung des Nachdrucks, die Durchsetzung der Rechte dramatischer Autoren“ waren. 1898 gab es in Deutschland 22 Literaturagenturen (davon 16 in Berlin), 67 befanden sich in Gründung. Es gab also schon sehr früh ein Bewusstsein dafür, dass das Schreiben eines Romans und die bestmögliche Vermarktung dieses Romans zwei verschiedene Professionen sind, die, wenn man sie ernsthaft betreibt, einem kaum Zeit für die jeweils andere lassen. Ein Autor oder eine Autorin kann sich dadurch auf das Schreiben konzentrieren und hat in der Regel genug damit zu tun, darin besser zu werden. Die Idee der Literaturagentur entstand also ursprünglich aus dem Kreis der Autoren selbst heraus, aus dem Bedürfnis, eine kompetente Beratung an der Seite zu haben, deren Ansporn und Glaube an den Erfolg dadurch bekräftigt wird, dass sie nicht im Vorhinein oder fix, sondern auf Provisionsbasis bezahlt wird.

Da die meisten Literaturagenten Juden waren, brach in den 1930er Jahren die Arbeit der Agenten jäh ab. Einige sind in die Schweiz, viele in die USA ausgewandert. Mit großer Verzögerung begann die zweite Welle der deutschen Agenturgründungen erst in den 1990er Jahren, als auch die junge deutsche Literatur nach der Wiedervereinigung einen Boom erlebte. Heute gibt es in Deutschland circa 80 Literaturagenturen, also etwa wieder so viel wie vor 120 Jahren, jede mit leicht anderen Schwerpunkten, anderen Vorlieben und anderen Kontakten.

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